Nach ihrer Vorgängermission Hayabusa (japanisch für „Falke“) zum Asteroiden Itokawa sollte auch Hayabusa2 Proben von der Oberfläche eines Asteroiden einsammeln und zur Erde bringen. Als Ziel diente der erdnahe Asteroid Ryugu, ein „Rubble Pile“-Asteroid von etwa 950 m Größe. Ryugu, benannt nach dem Unterwasserpalast des Drachenkönigs Watatsumi basierend auf einer japanischen Legende, ist ein Asteroid, dessen Material einst mit flüssigem Wasser in Berührung kam. Auch wenn die Oberfläche heute trocken erscheint, bestätigt die Mineralogie des Körpers die frühere Existenz von Wasser. Das macht Ryugu besonders interessant, da auch durch Körper wie ihn, einst Wasser zur Erde geliefert worden sein könnte.
Asteroid Ryugu, aufgenommen von Hayabusa2 aus 9000 Metern Entfernung. (© JAXA, Univ. of Tokyo, Kochi Univ., Rikkyo Univ., Nagoya Univ., Chiba Institute of Technology, Meiji Univ., Univ. of Aizu, AIST)
Ryugu hat eine diamantähnliche Struktur, die darauf hindeutet, dass der Asteroid aus Geröll aufgebaut ist, der gravitativ zusammengehalten wird und dessen Rotation Fliehkräfte erzeugt, die einen äquatorialen Gürtel formen. Einige Krater sind auf der Oberfläche zu erkennen, doch sehen diese weniger eindeutig aus als auf größeren und gefestigten Körpern, wie zum Beispiel dem Mond. Das überwiegende Erscheinungsbild der Oberfläche von Ryugu ist eine Ansammlung von größeren und kleineren Steinen, wobei sich diese in glatte und raue Steine unterteilen lassen. Es ist möglich, dass diese unterschiedlichen Strukturen von zwei unterschiedlichen Ausgangskörpern oder aus unterschiedlichen Schichten des Mutterkörpers stammen, bevor dieser durch einen Einschlag komplett zerstört wurde und sich aus den Bruchstücken anschließend Ryugu bildete. Entgegen vorheriger Annahmen ist die Oberfläche allerdings kaum mit Staub bedeckt. Dieser ist vermutlich in das Innere des Asteroiden transportiert worden oder von der Oberfläche durch elektrostatische Kräfte oder Einschläge entfernt worden. Auch die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht auf Ryugus Oberfläche sind extrem und schwanken ungefähr zwischen −70 Grad Celsius in der Nacht und +40 Grad Celsius am Tag. Dies lässt das Material mit der Zeit ermüden und ist vermutlich ein Hauptgrund für die Verwitterung der Gesteine auf Ryugu.
Die Hayabusa2-Mission brach nicht nur auf, um Ryugu zu untersuchen und Proben zur Erde zu bringen, sondern war auch mit zahlreichen Instrumenten und Experimenten ausgestattet. Neben den „klassischen“ Orbiter-Fernerkundungsinstrumenten wie Kameras, Spektrometern und einem Laseraltimeter, besaß Hayabusa2 auch ein Einschlagsexperiment und insgesamt drei Lander, die die Oberfläche aus direkter Nähe beobachteten. Einer dieser Lander, der etwa schuhkartongroße deutsch-französische MASCOT, war wiederum mit vier Instrumenten bestückt: einer Kamera, die auch verschiedene Farben aufnehmen kann, ein Radiometer, um das thermische Umfeld auf der Oberfläche zu erkunden, ein Spektrometer für die Analyse der Mineralogie und ein Magnetometer. MASCOT wurde am 3. Oktober 2018 erfolgreich auf der Oberfläche von Ryugu abgesetzt und untersuchte die Oberfläche an drei aufeinanderfolgen Ryugu-Tagen (insgesamt fast 17 Stunden, da ein Tag auf Ryugu nur etwa sieben Stunden 36 Minuten dauert) bevor die Batterie aufgebraucht war. Wegen der geringen gravitativen Anziehungskraft Ryugus benötigte der Lander fast sieben Minuten um von seiner Abwurfhöhe von 41 Metern auf der Oberfläche anzukommen.
Blick auf die Ryugu-Oberfläche vom Lander MASCOT aus. (© DLR/CNES/MASCOT)Vor Ort war interessantes Gestein in MASCOTs Blickfeld: Innerhalb des sehr dunkel erscheinenden Materials gab es helle Einschlüsse und raue Oberflächen. Diese Textur war zwar bereits von Meteoroidenfunden bekannt, allerdings erwies sich Ryugus Material als sehr viel weicher als das aller bekannten Meteoroiden. Ein Gestein solch fragiler Natur würde einen Eintritt in die Erdatmosphäre nicht überstehen und so gibt es zwar Meteoriten, die dem Gestein Ryugus chemisch und mineralogisch ähnlich sind, aber mechanisch sind diese Meteoriten in der Regel stabiler. Daher war es umso wichtiger, Proben von der Oberfläche einzusammeln und sie zur Erde zu bringen. Dies tat Hayabusa2 an zwei Stellen. Zunächst sammelte die Mission am 22. Februar 2019 Material an einer äquatornahen Stelle. Am 5. April 2019 schoss sie dann ein zwei Kilogramm schweres Projektil mit 7200 Kilometern pro Stunde auf Ryugu und erzeugte so einen etwa zehn Meter großen Krater. Am 11. Juli 2019 entnahm Hayabusa2 dann an genau dieser Stelle eine zweite Probe, die aufgrund des Einschlages frisches, vormals unter der Oberfläche liegendes Material enthalten sollte. Nach der erfolgreichen Beobachtungskampagnen, Landerlieferungen und Probennahmen brach Hayabusa2 am 13. November 2019 zurück zur Erde auf, wo sie am 5. Dezember 2020 die insgesamt 5,4 Gramm Material, die sie auf Ryugu gesammelt hatte, über der Woomera-Wüste in Australien abwarf.
In speziell dafür eingerichteten Laboren wurden seitdem die Proben untersucht. Sie zeigen, dass Ryugu ein außergewöhnlich primitiver Körper ist, dessen Zusammensetzung den ursprünglichsten chemischen Bestandteilen in unserem Sonnensystem entspricht. Seine Zusammensetzung beinhaltet aber bereits wichtige Bestandteile, wie organische Materialien und Wasser, für die Entwicklung von Leben unabdingbar sind.